Der Leistungsausschluss nach § 3 (4) d) ARB-RU 2000, wonach Rechtsschutz nicht besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus vom Versicherungsnehmer in eigenem Namen geltend gemachten Ansprüchen anderer Personen, greift nicht ein, wenn der Versicherungsnehmer originär eigene Ansprüche verfolgen will, die er lediglich zur Sicherheit an einen Dritten übertragen hat.
Die Versicherungsgesellschaft ist nach den §§ 1, 2 d), 4 (1) Satz 1 a) ARB-RU 2000 vertraglich verpflichtet, der Versicherungsnehmerin den begehrten Deckungsschutz zu gewähren. Eine Leistungsfreiheit der Versicherungsgesellschaft folgt insoweit auch nicht aus einer vorsätzlichen Verletzung der Informationspflicht aus § 17 (3) ARB-RU 2000. Dabei kann offen bleiben, ob die Versicherungsnehmerin ihre Auskunftsobliegenheit verletzt hat, da einer Leistungsfreiheit jedenfalls die Unwirksamkeit der Sanktionsregelung in § 17 (6) ARB-RU 2000 entgegensteht.
§ 17 (6) ARB-RU 2000 weicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der Neuregelung des § 28 VVG ab. Die Rechtsfolgenregelung in § 17 (6) Satz 1 und 2 ARB-RU 2000 beruht auf den gesetzlichen Vorgaben des § 6 Abs. 3 VVG a.F.; Satz 3 setzt die hierzu entwickelte Relevanzrechtsprechung um. Von der ihr durch Art. 1 Abs. 3 EGVVG eröffneten Anpassungsmöglichkeit hat die Versicherungsgesellschaft keinen Gebrauch gemacht.
§ 28 VVG n.F. ist anwendbar, da der Versicherungsfall im Jahr 2010 eingetreten ist (Art. 1 Abs. 1, 2 EGVVG). Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach § 4 (1) Satz 1 a) ARB-RU 2000 “grundsätzlich von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.” Begehrt der Versicherungsnehmer Rechtsschutz für die Geltendmachung eigener Ansprüche, kommt als frühestmöglicher Zeitpunkt das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer seinen Anspruch herleitet. Das ist hier die Weigerung des Lebensversicherers, den mit Schreiben vom 15.02.2010 erklärten Widerspruch anzuerkennen und die Differenz aus Prämienzahlung und Rückkaufswert zurückzuzahlen. Erst danach hat die Versicherungsnehmerin um Deckung ersucht.
§ 17 (6) ARB-RU 2000 weicht entgegen § 32 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der halbzwingenden Regelung des § 28 Abs. 2 bis 4 VVG ab. Das gilt nicht nur für die Rechtsfolgen einer grob fahrlässigen, sondern auch für den Fall der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung.
§ 17 (6) Satz 1 ARB-RU 2000, der bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung grundsätzlich Leistungsfreiheit vorsieht, enthält eine im Vergleich zur gesetzlichen Neuregelung (§ 28 Abs. 2 Satz 1 VVG) für den Versicherungsnehmer nachteilige Beweislastverteilung. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG trägt, was sich aus der Formulierung des Abs. 2 Satz 1 und im Umkehrschluss aus der Vermutung grober Fahrlässigkeit in Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ergibt, der Versicherer für den Vorsatz des Versicherungsnehmers die Beweislast. Nach § 17 (6) Satz 1 ARB-RU 2000, dessen Formulierung sich an § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG a.F. und der dortigen Vorsatzvermutung orientiert, hat hingegen der Versicherungsnehmer zu beweisen, dass er nicht vorsätzlich gehandelt hat. Für den Versicherungsnehmer nachteilige Veränderungen der Beweislastverteilung gegenüber halbzwingenden Vorschriften sind unzulässig.
Auch von der in § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG n.F. getroffenen Kausalitätsregelung weicht § 17 (6) ARB-RU 2000, der noch am Sanktionsmodell des früheren § 6 VVG a.F. ausgerichtet ist, zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab.
In Abweichung von § 28 Abs. 4 VVG n.F. fehlt § 17 (6) ARB-RU 2000 zudem eine Regelung, wonach die Leistungsfreiheit bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalls bestehenden Aufklärungsobliegenheit voraussetzt, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.
Diese Abweichungen führen nach § 32 Satz 1 VVG n.F. i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Unwirksamkeit des § 17 (6) ARB-RU 2000. Die Abweichung von der halbzwingenden Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers stellt eine unangemessene Benachteiligung dar. Die Vorsatzvermutung in § 17 (6) Satz 1 ARB-RU 2000 sowie die Möglichkeit einer Leistungsfreiheit des Versicherers bei für ihn nicht konkret nachteiligen Obliegenheitsverletzungen nach § 17 (6) Satz 3 ARB-RU 2000 und einer Leistungsfreiheit, die unabhängig von einer Mitteilung der Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung eintritt, ist mit wesentlichen Grundgedanken des § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 VVG nicht zu vereinbaren. Der Hinweis der Revisionserwiderung darauf, dass die Obliegenheit arglistig verletzt worden sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nicht an das neue Versicherungsvertragsgesetz angepasste Altbedingungen sind vielmehr unabhängig von der Art des Verschuldens im konkreten Fall unwirksam.
Die durch die Unwirksamkeit des § 17 (6) ARB-RU 2000 entstandene Vertragslücke kann nicht durch Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3, 4 VVG geschlossen werden. § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG setzt eine vertragliche Vereinbarung voraus, die bestimmt, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist. An einer solchen Vereinbarung fehlt es aufgrund der Unwirksamkeit des § 17 (6) ARB-RU 2000. Ein Rückgriff auf § 28 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 VVG über § 306 Abs. 2 BGB scheidet aus, weil es sich bei Art. 1 Abs. 3 EGVVG um eine gesetzliche Sonderregelung handelt, die in ihrem Anwendungsbereich die allgemeine Bestimmung des § 306 Abs. 2 BGB verdrängt. Mit der durch die Anpassungsmöglichkeit nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG bezweckten Gewährleistung der Transparenz von Versicherungsbedingungen wäre eine Lückenfüllung durch Anwendung der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren.
Auch für eine Anpassung des § 17 (6) ARB-RU 2000 an die durch § 28 VVG geänderte Rechtslage im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung ist kein Raum.
Die Versicherungsgesellschaft kann sich auch nicht auf den Leistungsausschluss nach § 3 (4) d) ARB-RU 2000 berufen, wonach Rechtsschutz nicht besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus vom Versicherungsnehmer in eigenem Namen geltend gemachten Ansprüchen anderer Personen. Die im Prozessbetreuungsvertrag vereinbarte stille – Sicherungszession macht die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag aus mehreren Gründen nicht zu Ansprüchen einer “anderen Person”.
der Abtretung gegenüber dem Lebensversicherer unterblieben. Die Abtretung ist daher absolut unwirksam, so dass § 3 (4) d) ARB-RU 2000 bereits seinem Wortlaut nach nicht eingreift.
Im Übrigen erfasst die genannte Klausel nicht die Geltendmachung der von der Versicherungsnehmerin nur zur Sicherung abgetretenen Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag.
Ihr Zweck, der vor allem auf Fälle der gewillkürten Prozessstandschaft und der Schadensliquidation im Drittinteresse zielt, geht erkennbar dahin zu verhindern, dass ein nicht versicherter eigentlicher Rechtsinhaber in den Genuss der Rechtsschutzleistung kommt, indem er an seine Stelle eine rechtsschutzversicherte Person treten lässt, die den Anspruch geltend macht. Der Rechtsschutzversicherer soll nicht durch eine solche nachträgliche Nutzung rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten mit einem Kostenrisiko belastet werden, für das er keine Prämien erhalten hat. Unter Berücksichtigung dessen hat der Bundesgerichtshof die Klausel bereits einschränkend dahin ausgelegt, dass sie weder den Fall einer Fremdversicherung erfasst, bei der es von vornherein Sache des Versicherungsnehmers ist, die Rechte des Mitversicherten geltend zu machen, noch die Geltendmachung eines fremden Anspruchs nach dessen Pfändung und Überweisung, weil hier der rechtsschutzversicherte Pfändungspfandgläubiger im eigenen Interesse handelt.
Auch im Streitfall ist der Schutzzweck des § 3 (4) d) ARB-RU 2000 nicht berührt, wenngleich im Grundsatz Fälle gewillkürter Prozessstandschaft von der Klausel erfasst werden. Eine Verlagerung der Prozesskostenlast von einer nicht versicherten Person auf die Versicherungsnehmerin – und damit letztlich auf den Rechtsschutzversicherer – ist hier nicht erfolgt. Geltend gemacht werden vielmehr originär eigene Ansprüche der bei der Versicherungsgesellschaft versicherten Versicherungsnehmerin aus ihrem Lebensversicherungsvertrag. Auch nach deren Abtretung sind diese Ansprüche wirtschaftlich weiterhin der Versicherungsnehmerin zuzuordnen. Der Prozessbetreuungsvertrag und die dort vereinbarte Sicherungsabtretung sollen lediglich deren Durchsetzung im Interesse der Versicherungsnehmerin erleichtern. Die Zessionarin … ist im Innenverhältnis zur Versicherungsnehmerin erst bei einem Verzug mit deren Leistungen zur Offenlegung der Zession und zur Geltendmachung im eigenen Namen berechtigt (§ 4 (2) AGB)) und bleibt auch dann zur Rückübertragung nach Erlösauskehr verpflichtet (§ 4 (3) AGB)). Von den geltend zu machenden Ansprüchen aus dem Lebensversicherungsvertrag steht … lediglich ein Anteil von 25% des den Rückkaufswert übersteigenden Mehrerlöses zu.
Der Leistungsausschluss nach § 5 (3) g) ARB-RU 2000 für Kosten, “zu deren Übernahme ein anderer verpflichtet wäre, wenn der Rechtsschutzversicherungsvertrag nicht bestünde”, greift nicht ein, weil hier keine Kostentragungspflicht eines anderen gegenüber der Versicherungsnehmerin besteht. Entgegen der Auffassung der Versicherungsgesellschaft ergibt sich das insbesondere nicht aus dem Prozessbetreuungsvertrag, da er keine Kostentragungspflicht der … vorsieht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. April 2014 – IV ZR 124/13